X frame
Schloss Hollenburg, Krems-Hollenburg – Club X, Galerie Sur, Wien – Österreich
Anlass- & ortsspezifische Installation & Performance von Marc Lins
Eine Skulptur als Kreuzungspunkt der Welten. Das „X“, als drittletzter unseres Alphabets, ist alles andere als ein gewöhnlicher Buchstabe. Ähnlich der Null, welche ebenfalls die Abwesenheit von etwas definiert, wird das „X“ häufig dazu verwendet, etwas darzustellen, das inexistent ist bzw. als undefinierbar erscheint.
So entsteht das „X“ durch die Kreuzung von zwei Geraden und bestimmt einen Punkt (Nichtraum) auf einer Fläche bzw. in einem Raum. Gleiches gilt, wenn das „X“ auf einer Zeitlinie liegt: hier steht es für das Jetzt – und somit für den, nicht fassbaren Augenblick zwischen Vergangenheit und Zukunft. In der MathemaHk steht das X für das Unbekannte, das noch nicht berechnet und ergründet wurde.
Der Künstler hat sich tief-greifend mit dem Unbekannten, das sich im „X“ ausdrückt, auseinandergesetzt und es in den zeitgenössischen Kontext gesetzt: Die Corona-Krise als Verstärker einer unaufhaltsamen, digitalen Entwicklung stellt uns vor existenzielle Fragen: Wohin gehen wir als Menschheit? Wohin entwickeln wir uns? Was ist Realität, was Fiktion?
Das „X“ symbolisiert für Lins das Jetzt, von wo aus wir in die Zukunft aubrechen. Aber auch die Frage nach den Raum, in dem sich diese Zukunft entfalten wird: eher im virtuellen oder im realen?
Durch die typographische Form der Skulptur, die von 3D-Grafiken inspiriert ist, erschafft der Künstler ein Objekt, welches wir eigentlich mit dem virtuellen Raum assoziieren, in den Real-Raum. Er wirft damit auch die Frage auf, inwieweit wir unserer Wahrnehmung noch trauen können? Ist dieses schimmernde „X“, welches da vor einem schwarzen Hintergrund schwebt und sich langsam in seiner vertikal Achse dreht, in Wirklichkeit vorhanden oder ein Hologramm – eine „Augmented Reality“?
Der performaHve, öffentlich sichtbare Erschaffungsprozess der Skulptur ist die radikale Antwort des Künstlers auf diese Frage: einem Zen-Meister gleich, monHert Lins sein Werk in einem Zeit-intensiven, kontemplaHven Prozess in die Wirklichkeit hinein. Er konzentriert all sein Bewusstsein in die Erstellung der Skulptur und implemenHert in wochenlanger Feinarbeit insgesamt fast 800 Schraubenbolzen in den vorgeferHgten Rahmen, um selbige wiederum mit einem speziellen, chrom-verspiegelten Effekt-Garn zu bespannen. Im Verlauf des Einsetzen der Bolzen, sowie des Aufspannens ist es von äussester
WichHgkeit, das Gleichgewicht der ZugkräVe zu wahren, um eine Über- bzw. Unterspannung der gesamten Skulptur zu vermeiden.
Auch hier spiegelt sich eine dialekHsche Symbolik wider, die auf die Fragilität der zeitgenössischen GesellschaV und ihrer inneren Spannungen Bezug nimmt.
Another aspect is the use of energy required for this kind of project, with which the artist brings its unique piece into reality: The amount of labor required is much higher than what would be needed for an easily reproducible, virtual sculpture. It is therefore also about the question of value and value production (in the sense of Marx) in the context of a digital society and economy.
Man kann X frame durchaus auch als postmodernes Pendant zu einem tradiHonellen Mandala bezeichnen: ein MeditaHonsobjekt am Kreuzungspunkt verschiedener, individueller Realitäten, das die Betrachter dazu animiert, sich der Wirklichkeit und/oder der Illusion – in der wir alle leben und interagieren – bewusst zu werden.
Text: Viktor Kröll